Page 28 - uftpost Ausgabe 11 2023-11
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Ein junger Setzling noch ganz ohne Bewuchs
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                                                                                     Das Chamäleon unter den Pflanzen


     Wissenschaft ;-)

     Der Gemeine Schaltschrank

     Kulturfolger des Menschen


     In den letzten Jahrzehnten tritt weltweit ein Organismus auf, welcher als
     Neophyt zum flächendeckenden Kulturfolger des Menschen geworden
     ist: der Gemeine Schaltschrank (Cabinettus vulgaris W.). Diese Pflanze
     mit ihrem charakteristischen, kubusförmigen Fruchtkörper weist eine er-
     staunliche Anpassungsfähigkeit auf, und so findet man sie selbst in dicht
     versiegelten Innenstädten, wo sie vorzugsweise an Grundstückskanten
     gedeiht. Sie lässt sich nieder, wo sie ein Stück offene Erde findet, in die sie
     ihr langes Wurzelwerk vorstrecken kann.

     Die in Europa häufigste Varietät, Cabinettus vulgaris subsp. vulgaris, zeichnet
     sich durch eine graue, derbe Außenhaut aus (Bild 1). Durch die relative Lang-
     lebigkeit (es wurden über 40 Jahre alte Exemplare gefunden) ist die Epi-
     dermis oft vom Sonnenlicht ausgebleicht oder graffitiartig mit Pilzen (Bilder
     2a/b, 3) überzogen. Im Nordwesten Deutschlands tritt v.a. in Ballungs-           3
     gebieten eine spezielle Sorte auf: Cabinettus vulgaris subsp. viridis. Diese                     Ein scheues Exemplar, leicht
     Individuen werden etwas größer und sind einheitlich grün (Bild 4).                       versteckt hinter Ampel- und Schilderpfahl

     Wenig bekannt ist, dass die Pflanzen mittels Farbzellen in der Oberhaut zu
     erstaunlicher Mimikry in der Lage sind. So können sie sich an die Farben
     und sogar an die Strukturen ihrer Umgebung anpassen. Das ist eine sehr
     interessante Beobachtung, zeigt sie doch, dass der Gemeine Schalt-
     schrank zu einer optischen Wahrnehmung seines Standortes in der Lage
     zu sein scheint (Bild 5). Besonders bemerkenswerte Beispiele wurden in                                        4
     Bonn gefunden, wo ein großes Exemplar von Cabinettus vulgaris vor dem
     August-Macke-Museum sein Äußeres einem der dortigen Exponate
     nachgeahmt hat (Bild 6). Rätsel geben hingegen Unterwasser-Motive
     auf (Bild 7), denn solche dürfte der erdgebundene Gemeine Schalt-
     schrank nur in Ausnahmefällen wahrnehmen. Die Frage, ob die sehr
     selten zu findende goldschimmernde Ausprägung typisch ist oder eine
     genetische Aberration darstellt (Bild 8), ist derzeit Gegenstand eines
     Forschungs-Projektes an der Universität Stuttgart. Die musikalisch-künst-
     lerische Unterart in der Region Baden (Bild 9) wird ebenfalls genauer
     erforscht. Insgesamt beobachtet man gefärbte Individuen im Vergleich
     zur grauen Grundform eher selten.


     Dankenswerterweise wird die Art Cabinettus vulgaris europaweit als
     „nicht gefährdet“ eingestuft.
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