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Foto: H.-P. Kuhnhäuser
Heimat
Alte Stadtentwässerungskanäle
in Mergentheim
Menschenauflauf in der Fußgängerzone: Wesen in weißen Ganzkörper-
anzügen kriechen aus dunklen Löchern im Boden, daneben ein Transporter
mit der Aufschrift UFT. Was ist hier los?
Als Dr. Hansjörg Brombach sich in den siebziger Jahren mit Familie und Firma in
Bad Mergentheim niedergelassen hatte, begann er, sich für die Wasserver- und
Abwasserentsorgung seiner neuen Heimatstadt zu interessieren. Durch gute
Kontakte zu Historikern, Architekten, Tiefbauamtsleitern, Stadtbaumeistern und
Klärmeistern gelang es ihm in jahrzehntelanger Forschung, bemerkenswerte
Fakten „auszugraben“, und dazu griff er manchmal auch tatsächlich zur Schaufel.
Wie er in drei ausführlichen Artikeln im Stadtblick 4 * erläutert, gab es schon
zu Deutschordens-Zeiten Wasserleitungen zur Frischwasserversorgung sowie unter-
irdische begehbare Gewölbedolen zur Regenwasserentsorgung. Diese Kanäle
sind mit großer Wahrscheinlichkeit Teil einer der ältesten Stadtentwässerungen
Deutschlands. Schon früh wurde erkannt, dass sich Seuchen durch eine voraus-
schauende Stadtplanung eindämmen lassen – wenn auch nicht ganz vermieden
werden konnte, dass der Schwarze Tod auch in Mergentheim wütete.
Erforschung der historischen Stadtentwässerung:
Prof. Dr. Brombach steigt dafür auch gerne persönlich Interessanterweise waren die Dolen der damaligen Schwemmkanalisation bis
in die Kanalisation hinab.
zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nicht für Fäkalien, sondern ausschließlich
für das Abschwemmen des Straßenschmutzes bei Regen gedacht. Zunehmend
gab es aber den Wunsch, die Hauskanalisation an das öffentliche Kanalnetz anzu-
schließen, und es wurden wohl auch hier und dort heimlich die ersten Latrinen
angeschlossen. Um diesen Drang abzuwehren, erließ die Oberamtsstadt Mergent-
heim im Jahr 1909 eine „Ortsbaustatutarische Vorschrift über die Entleerung
der Abortgruben und die Abfuhr des Grubeninhaltes“, in der die Einmündung der
Abtritte in die städtischen Abzugsdolen ausdrücklich verboten war.
„Das WC veränderte Vieles.“
Nach dem Ersten Weltkrieg ließ sich die Einrichtung der aus England kommenden
Wasserspülklosetts nicht aufhalten. Wegen der viel größeren Abwasser mengen,
die von den Latrinenfässern im Hauskeller oder Hinterhof nicht mehr aufgenommen
werden konnten, wurden die Toiletten an die Schwemmkanalisation ange schlossen.
So wurde – ganz ungewollt und ohne Plan und sogar gegen die Vorschriften – aus
*Bürgerforum Stadtbild Bad Mergentheim e. V.: der ehemaligen Schwemmkanalisation eine Mischwasserkanalisation (Abwasser plus
Stadtblick 4, 2019 Regenwasser).
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