Page 21 - uftpost Ausgabe 11 2023-11
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F amilienausflug
heute – gestern – morgen
Feststofftransport im Kanal – ein Experiment:
das Kartoffelrennen
Andere Eltern gehen mit ihren Kindern in Freizeitparks, doch Die Familienmitglieder wurden auf drei Messstellen verteilt, an
Herr Prof. Dr. Hansjörg Brombach nahm seine beiden Töchter denen ein kleiner Rechen im Kanal installiert war. Nun kam der
im Jahr 1981 mit in den Kanal und veranstaltete ein Kartoffel- anspruchsvolle Teil des Experiments, der volle Konzentration
rennen. In der letzten Ausgabe der uftpost hatten wir bereits forderte: Die ankommenden Tracer mussten herausgenommen
über Herrn Brombachs Theorie über die Transportvorgänge im und registriert und sofort wieder eingesetzt werden. An Mess-
Abwasserkanal berichtet und von seinem Modell, mit dem er stelle 3 wurde außerdem die Leitfähigkeit gemessen und an
Sedimente, Schwebstoffe und Schwimmstoffe an den unter- Messstelle 4 im Minutentakt Wasserproben gezogen. Nach
schiedlichen Positionen in der fließenden Welle veranschau- 1 ½ Stunden war das Abenteuer vorbei, die Auswertung über-
lichte. Diese Theorie wollte er damals in einem echten Kanal nahm wieder der Vater.
überprüfen. Also zog die Familie Brombach los, um an einem
Regenbecken in Bad Mergentheim-Dörtel einen Feldversuch Sehr schön kann man in Bild 2 sehen, wie sich die Feststoffe in
zu starten. der Abflussganglinie einsortierten: An Messstelle 1 war alles
vorne in der Welle, weil es dort eingeworfen wurde. An Mess-
Natürlich war das Experiment von Dr. Brombach sorgfältig stelle 2 und 3 waren vorne die leichten Tennisbälle, gefolgt von
vorbereitet und auch vom Kanalbetreiber genehmigt worden. Äpfeln und Kartoffeln, die begannen, sich nach der Größe zu
Das Becken war mit Wasser aus einem Hydranten befüllt, der sortieren. An Messstelle 4 war diese Sortierung weitgehend
Schieber wurde nun für acht Minuten geöffnet und in den abgeschlossen: Im Wellenkopf die Tennisbälle, dann die Äpfel,
Abfluss im Fünfsekundenabstand nacheinander ein Eimer mit dann eine Weile nichts, dann im Wellenschwanz die Kartoffeln
Salzwasser gekippt, in dem jeweils eine nummerierte Kartoffel, am Boden, zuerst die großen, dann die kleinen. Als Welle darge-
ein mit einem Buchstaben bezeichneter Apfel und in den ersten stellt ist das Ganze in Bild 3, die anfängliche Hypothese konnte
drei Eimern ein Tennisball schwammen. Im ersten Eimer war also durch den Feldversuch bestätigt werden.
außerdem die rote Farbe Eosin, um den Beginn der Welle zu
markieren. Seit den Achtzigerjahren wurden in Baden-Württemberg und in
ganz Deutschland Tausende Regenüberlaufbecken gebaut, die
sich den beobachteten Effekt zunutze machen und vorzugsweise
Mischwasser aus dem mittleren Teil der Welle in die Gewässer
Warum gerade Kartoffeln und Äpfel? Hansjörg Brombach entlasten, Tauchwände zum Rückhalt von Schwimmstoffen vor-
hatte herausgefunden, dass sie in ihrer Dichte ungefähr dem sehen und Schwellen, die ein Entweichen der sich am Boden fort-
Feststoff entsprechen, der im Kanal besonders relevant ist: bewegenden „Kartoffeln“ verhindern.
Kot. Kartoffeln sind etwas schwerer als Wasser, Äpfel etwas
leichter. Die Legende besagt, dass Frau Brombach am Ende aus den
Kartoffeln noch ein schmackhaftes Mittagessen gekocht hat,
ob das stimmt? Jedenfalls haben die Töchter das Experiment
unbeschadet überlebt, machen heute mit ihren eigenen Kindern
gerne Naturexperimente und erzählen sogar immer noch mit
leuchtenden Augen von dem Erlebnis „Kartoffelrennen“.
Zum Nachlesen gibt es die Veröffentlichung von 1982 als Sonderdruck analog oder digital bei UFT:
1013 Brombach, H.: Zwei Experimente zum Stofftransport im Mischwasserkanal, Korrespondenz Abwasser,
Heft 5, Seite 284 bis 291, Bad Mergentheim 1982.